Die eine träumt vom zärtlichen Liebesspiel mit George Clooney, eine andere vom Arbeitskollegen ihres Mannes, mit dem sie es auf der Toilette einer Bar treibt. Jeder hat welche und sie sind so vielfältig wie die Menschen, die sie sich ausmalen: sexuelle Fantasien. Woher kommen diese Bilder im Kopf? Kann man sie deuten? Wie sollen wir damit umgehen? Warum haben wir überhaupt sexuelle Fantasien? Sollen wir diese ausleben?
Inhalt:
Das alles wollte auch der Psychologe und Psychotherapeut Brett Kahr wissen, der die mit Abstand größte Studie zu sexuellen Fantasien durchführte. 19 000 Frauen und Männer nahmen daran teil. Der Brite fasste seine Erkenntnisse in seinem Buch „Sex im Kopf“ zusammen. Hier beantworte ich die Fragen, die mir am häufigsten gestellt werden:
10 Prozent der Frauen gaben an, keine Fantasien zu haben, aber nur 4 Prozent der Männer. Möglicherweise haben Männer weniger Scheu davor, diese Frage ehrlich zu beantworten. Wer tatsächlich nie fantasiert, hat unter Umständen starke Scham- und Schuldgefühle in Bezug auf Sex.
Sigmund Freud hielt diese für ein mentales Produkt, das eine wichtige seelische Funktion erfülle. Seiner Meinung nach sind sexuelle Fantasien Reaktionen auf Frustrationserlebnisse oder Versuche, verbotene Wünsche wahr werden zu lassen.
Aus der Sicht von Evolutionspsychologen fantasieren wir, um die sexuelle Erregung zu verstärken, was die Fortpflanzung unterstützt.
Darüber hinaus benutzen wir sexuelle Fantasien, um
Dass Sex und Gewalt oft korrelieren, sehen wir in unzähligen Hollywood-Filmen - beides wirkt erregend. Viele Frauen haben sexuelle Fantasien, in denen Erniedrigung oder Gewalt vorkommt und schämen sich furchtbar dafür, da ihnen in der Realität Gewalt zuwider ist. Ambivalente Gefühle sind hier nichts Ungewöhnliches. Man kann sich durch eine sexuelle Fantasie gleichermaßen erregt und abgestoßen fühlen. In der Fantasie etwas erregend zu finden, heißt nicht, diese Vorstellung auch tatsächlich erleben zu wollen!
Sexuelle Fantasien zu besprechen oder sie zu realisieren, kann bereichernd für eine Partnerschaft sein, kann dieser aber auch schaden. Hierbei sind auf jeden Fall großes Vertrauen und Einfühlungsvermögen gefragt. Fantasie und Realität können nämlich ganz unterschiedlich erlebt werden. Oft ist eine Fantasie gerade deshalb so aufregend, weil sie nie ausgelebt wird. Die Verwirklichung kann enttäuschend und unbefriedigend sein - oder ein absolutes Highlight. Es gibt dafür keine allgemein gültigen Richtlinien, das muss jedes Paar für sich herausfinden.
Nicht einmal Psychotherapeuten können genau sagen, was welche Fantasie genau bedeutet. Kreativer Umgang mit Aggressivität, ungelöste Konflikte, frühkindliche Traumata... all das und mehr habe ich in diesem Zusammenhang bereits gehört oder gelesen.
Häufig sind Kindheitserlebnisse der Ursprung von sexuellen Fantasien. Sie werden genutzt, um schmerzhafte Erfahrungen in lustvolle sexuelle Erlebnisse umzuwandeln. So wird die Möglichkeit geschaffen, seelischen Kummer durch Erotisierung zu lindern.
Von anderen Männern zu fantasieren, muss nicht zwangsläufig ein Zeichen für Beziehungsprobleme sein. Wenn Sie sich darüber Sorgen machen, könnten Sie solche Fantasien jedoch zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, ob es möglicherweise Schwierigkeiten mit Ihrem Partner gibt.
Diese könnten sexueller, aber auch zwischenmenschlicher Natur sein. Vielleicht war Ihnen ein Bedürfnis bisher gar nicht bewusst oder es gibt ein Thema, das schon lange angesprochen werden sollte. Wenn Sie bei ehrlichen Überlegungen zu dem Schluss kommen, dass in Ihrer Beziehung alles in Ordnung ist, möchten Sie vermutlich einfach in der Fantasie etwas Neues ausprobieren, das Sie in der Realität nicht tun können oder wollen – nämlich Sex mit einem anderen Mann haben und/oder neue Praktiken ausprobieren. Oft besteht ein großer Unterschied zwischen dem realen sexuellen Verhalten und dem Film, der gleichzeitigen im Kopf abläuft.
Autorin: Doris Kaiser