Loslassen macht frei
Während der sechs Jahre, die ich in Frankreich in kleinen Appartements lebte, hatte ich nichts von dem vermisst, was ich in meiner Wiener Wohnung zurück gelassen hatte. Es war eine unglaublich schöne und nie zuvor gefühlte Freiheit, die mir dazu verhalf, nach meiner Rückkehr den Prozess des Ausmistens allen Ernstes anzugehen. Ich habe infolge meine Wohnung inklusive Keller buchstäblich leer geräumt und nur noch behalten, was meiner Weiterentwicklung tatsächlich dient. Sogar der Bücherbestand wurde auf ein Minimum reduziert. Denn entweder hatte ich die Weisheiten des Gelesenen integriert und in die Umsetzung gebracht, oder sein Inhalt hat mir sowieso nie gedient und würde es auch in Zukunft nicht tun. Die Entscheidung dazu traf mein Bauchgefühl.
Der freie Raum, der insgesamt durch diesen Prozess entstand, lud ganz neue Möglichkeiten in mein Leben ein. Nicht nur beflügelte es, durch die Räume zu wandeln, es atmete sich zudem WESENtlich leichter.
Das zwanghafte Anhäufen materieller Dinge führt auf lange Sicht zu einem hohen Maß an Unfreiheit, so wie ein Zuviel an Informationen aus Fernsehen und Zeitungen meist zu vermehrter Verwirrung und Angst führt und ein übervoller Terminkalender oft genug zu Stress und lethargischem Burnout. Wir arbeiten, um uns Dinge anzuschaffen, die wir nicht brauchen, lassen uns durch Werbung manipulieren, wie man durch den Kauf entbehrlicher Güter glücklich wird, und geraten dabei in einen Teufelskreis, aus dem auszusteigen nicht leicht fällt. Vor allem dann, wenn man seinen SELBSTwert durch äußerliche Faktoren bestimmen lässt.
Ja, die monatlichen Rechnungen müssen bezahlt werden. Keine Frage. Aber immer noch lässt sich nachspüren, was an neuen Anschaffungen tatsächlich notwendig ist. Ob das neue Outfit wirklich sein muss, oder erneut von der Auseinandersetzung mit einer inneren, lang verdrängten Leere ablenkt. Ob die Urlaubsreise tatsächlich Erholung bringt, oder einfach nur vermehrten Stress. Ob das Abonnement dem aktuellen Entwicklungsstand überhaupt noch entspricht, die eine oder andere Mitgliedschaft noch förderlich ist, eine Versicherung nicht schon längst gelöst werden und überhaupt viel seltener eine neue vertragliche Bindung eingegangen werden sollte.
Vieles davon behalten wir, weil wir uns in Sicherheiten wähnen wollen. Weil wir die Zukunft absichern wollen. Weil wir die Kontrolle behalten möchten. Ganz einfach, weil wir dem Leben nicht trauen, ihm nicht vertrauen, dass es uns das bringt und gibt, was wir tatsächlich für unser wahres inneres Glück benötigen.